OTC-Umsatz nach wie vor im Aufwind

24. Mai 2024
OTC Verkauf in der Apotheke

Apotheke vor Ort braucht neben dem Zielkauf unbedingt auch den Impulskauf

 

Über 40 % aller Kassenvorgänge der Vor-Ort-Apotheken sind Barverkäufe. OTC-Produkte und das weitere rezeptfreie Sortiment haben zwar bei Weitem nicht dieselbe Umsatzbedeutung wie rezeptpflichtige Arzneimittel, aufgrund der hohen Absatzzahlen und der Bekanntheit einzelner Marken sind rezeptfreie Produkte jedoch ein zentraler Einflussfaktor für die Kundenbindung und die Frequenz. Seit den Pandemiejahren ist der OTC-Umsatz in den Vor-Ort-Apotheken wieder im Aufwind. Eine Einordnung von Frank Weißenfeldt.

Ein Vergleich des Zwölfmonatswert Februar 2024 (MAT 02/2024) mit dem Jahr 2023 zeigt, dass der OTC-Umsatz von Offizinapotheken (Preisbasis: ApU = Arzneimittelpreis des pharmazeutischen Unternehmers) sich auf einem um +1,1 %-Punkte höheren Niveau bewegt als in 2023. Das stärkste Wachstum auf Basis des Zwölfmonatswerts Februar 2024 zeigten apothekenpflichtige Arzneimittel mit einem Zuwachs von +1,2 %-Punkten, gefolgt von Nichtarzneimitteln mit einem Anstieg von +1,1 %-Punkten sowie nicht apothekenpflichtige Arzneimittel mit +0,3 %-Punkten Wachstum. Der Wachstumstrend für verschreibungsfreie Produkte knüpft dem nach nahtlos an die Entwicklung des Vorjahres an.

Insbesondere bei Gegenüberstellung des Jahres 2023 mit 2022 und den Pandemiejahren 2021 und 2020 hat der OTC-Markt für Vor-Ort-Apotheken insgesamt stark gewonnen. Während wir von 2020 auf 2021 für das verschreibungsfreie Sortiment lediglich ein Wachstum von +0,3 %-Punkten bei Offizin-Apotheken hatten, lag das Wachstum des OTC-Marktes in den stationären Apotheken von 2021 auf 2022 insgesamt bei +10,8 %-Punkten und von 2022 auf 2023 bei +4,4 %-Punkten.

Das stärkste Wachstum in der Offizin zeigten während der letzten Jahre apothekenpflichtige Arzneimittel: Während in 2020 und 2021 viele Kundinnen und Kunden den Besuch ihrer Vor-Ort-Apotheke aufgrund der Pandemie scheuten und bei den Versandapotheken Arzneimittel bestellten, stieg die Nachfrage nach apothekenpflichtigen Arzneimitteln im Jahr 2022 stark an. Auf einen Rückgang mit -0,3 %-Punkten folgte eine ausgesprochen positive Entwicklung. Im Jahr 2022 lag das Wachstum für apothekenpflichtige Arzneimittel bei +14,8 %-Punkten. Ein Jahr später stieg der Umsatz (Preisbasis: ApU) in den Vor-Ort-Apotheken immerhin noch um +3,9 %-Punkte. Entscheidend ist in diesem Kontext, dass für die Post-Pandemie-Zeit einerseits manche Verhaltensweisen erlernt und beibehalten worden sind (z. B. Online-Meetings), andererseits Gewohnheiten aus der Vor-Pandemie-Zeit aber auch wiederentdeckt werden (z. B. Shopping) und „alte“ Verhaltensweisen wieder zurückkehren. Apothekenpflichtige Arzneimittel werden wieder stärker in der Apotheke vor Ort eingekauft.

Nichtarzneimittel erzielten auch während der Pandemie ein moderates Wachstum in den Vor-Ort-Apotheken. Im Jahr 2021 zeigte die Entwicklung einen Anstieg von +2,2 %-Punkten gegenüber dem Vorjahr. 2022 lag die Umsatzerhöhung für Nichtarzneimittel in der Offizin bei +6,3 %-Punkten und im letzten Jahr immerhin noch bei +5,8 %-Punkten. Nicht apothekenpflichtige Arzneimittel verzeichneten im Jahr 2021 mit einem negativen Wachstum von -9,3 %-Punkten den stärksten Rückgang in den stationären Apotheken. Nach der Pandemie stieg der Umsatz mit diesen verschreibungsfreien Produkten zwar wieder um +4,9 %-Punkte an, allerdings ging der Umsatz im vergangenen Jahr wiederum um -4,1 %-Punkte zurück.

OTC-Wachstum

Vor-Ort-Apotheken freuen sich über Umsatzwachstum

Eine Erkältungswelle folgt der nächsten

Die Erkältungswelle war im vergangenen Jahr wie schon 2022 ungewöhnlich heftig. Knapp zehn Prozent der Deutschen hatten laut Robert-Koch-Institut (RKI) im Dezember 2023 eine akute Atemwegserkrankung. Damit infizierten sich im letzten Jahr sowie in 2022 wieder deutlich mehr Menschen mit Atemwegserregern als in den Jahren während und vor der Pandemie. Dies ist selbstverständlich keine Überraschung, schließlich sind alle Abstandsregeln weitgehend obsolet und nur noch selten sieht man Menschen in der Öffentlichkeit mit einer Atemschutzmaske.

Augenblicklich schwankt die Entwicklung. Während Ende Dezember 2023 und im Januar 2024 die Anzahl der Atemwegserkrankungen in der Bevölkerung von 10.431 (2023 KW 50) wöchentliche Inzidenzen auf 5.010 (2024 KW 2) wöchentliche Inzidenzen stark zurück ging, stieg die Anzahl der Inzidenzen im Verlauf des ersten Quartals 2024 wieder deutlich an (z. B. KW 5: 7.351 Fälle). In den Tagen vom 4. bis 10. März 2024 lag die Anzahl der Atemwegserkrankungen pro Woche bei 6.205 Fällen.

Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch das Wachstum im OTC-Markt im Jahr 2023 und teilweise auch die aktuelle Entwicklung im Segment der verschreibungsfreien Arzneimittel - Fokus: Husten- und Erkältungsmittel. Expectorantien ohne Antiinfektiva wuchsen im Jahr 2023 in der Offizin um +7 %-Punkte gegenüber dem Jahr 2022. Rhinologika (topisch) zeigten in den Vor-Ort-Apotheken ein Wachstum von +15 %-Punkten gegenüber dem Vorjahr. Ausgehend vom aktuellen Zwölfmonatswert liegt der Umsatz für Expectorantien ohne Antiinfektiva allerdings bei -3 %-Punkten.

Die Ursache hierfür ist selbstverständlich die ebenfalls sehr starke Erkältungssaison im Vorjahr. Rhinologika (topisch) verzeichnen hingegen ein deutliches Umsatzwachstum von +12,%-Punkten (Basis: MAT 02/2024, realer Apothekenverkaufspreis). Offensichtlich kann eine starke Erkältungswelle sich durchaus unterschiedlich auf die Nachfrage nach verschiedenen Produktgruppen der Kategorie Husten- und Erkältungsmittel in der Offizin auswirken. [...]

Fazit

Der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) hat den Impulsverkauf über Jahre hinweg perfektioniert. Nur von jenen Kundinnen und Kunden, die mit dem Einkaufszettel in die Geschäfte gehen, könnte der LEH wirtschaftlich nicht existieren. Auch die Apotheke vor Ort braucht neben dem Zielkauf unbedingt auch den Impulskauf. Vor dem Hintergrund der Ertragsschwäche vieler Apotheken und der steigenden Umsatzbedeutung verschreibungsfreier Sortimente gilt es, die Warenpräsentation in der Sicht- und Freiwahl zu optimieren. Marktexperten gehen davon aus, dass auch in der Offizin die spontan kaufende Kundschaft eine wesentlich höhere Bedeutung hat als bisher angenommen. Um die richtigen Entscheidungen zu treffen und attraktive Produkte zu platzieren, sollten die Akteure im Apothekenmarkt die Entwicklung auf Basis von Daten analysieren.

 

Den vollständigen Artikel von unserem Experten Frank Weißenfeldt können Sie im Magazin apothekenmarkt (Ausgabe Mai 2024) nachlesen.


Da wir uns in diesem Artikel auf Auswertungen aus dem Februar 2024 beziehen, hier ein Update zur aktuellen Entwicklung: 
Der Markt für verschreibungsfreie Arzneimittel und weitere rezeptfreie Produkte ist von 2023 auf April 2024 um +1,3 Prozentpunkte nach Umsatz (Basis: MAT 2024.4 Arzneimittelpreis des pharmazeutischen Unternehmers - ApU) gewachsen, nachdem er von 2022 auf 2023 noch um +4,4 Prozentpunkte zugelegt hatte. Der Wachstumstrend für verschreibungsfreie Produkte knüpft daher nicht mehr nahtlos an die Entwicklung der Vorjahre an. Das stärkste Wachstum auf Basis des Zwölfmonatswerts April 2024 zeigten Nichtarzneimittel mit einem Zuwachs von +1,5 Prozentpunkten, gefolgt von apothekenpflichtigen Arzneimitteln mit einem Anstieg von +1,2 Prozentpunkten. Nicht apothekenpflichtige Arzneimittel verzeichneten einen Umsatzrückgang um -1,0 Prozentpunkte.

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