Entwicklung der Pharma-Marktforschung

28. März 2024
Christian Bensing

Die pharmazeutische Industrie – vom forschenden Arzneimittelunternehmen bis hin zum Generikaunternehmen – zeichnet sich durch technologische Innovation und ausgeprägte Wettbewerbsorientierung aus. Der Markt ist reguliert und enorm komplex.

Christian Bensing führt als Mitglied der Geschäftsführung und General Manager bei Insight Health den Bereich Pharmaceutical Industry. Als erfahrener Marktforscher beobachtet er die Entwicklung der Marktforschung in der Pharmaindustrie seit einigen Jahren. 

Es gibt, so Bensing, seitens der Industrie ein großes Interesse an Marktforschung und datengetriebenen Analysen, um das Verhalten aller Akteure wie bspw. das der Ärzte, Apotheken und Patienten einsehen und verstehen zu können. Das ist die Voraussetzung, damit die Unternehmen zur Optimierung der Gesundheitsversorgung beitragen können, z. B. mittels zielgruppenspezifischer Kommunikation, die auf ihren Unternehmenserfolg einzahlt. 

Primäre und sekundäre Marktforschung

Christian Bensing erklärt, dass in der Marktforschung zwischen Primär- und Sekundärdaten unterschieden wird. Die Forschung mit Primärdaten stellt dabei den direkten Angang dar, der explizit neue Informationen z. B. über Befragungen oder Fokusgruppen sammelt. Diese Herangehensweise unterstützt v. a. bei der strategischen Arbeit, etwa, wenn es darum geht, die Zielgruppe und deren Needs zu verstehen. Die Forschung mit Sekundärdaten nutzt im Gegensatz dazu bestehende Informationen und generiert durch verschiedene Analysen neue Erkenntnisse. Insight Health arbeitet ausschließlich auf Basis von Sekundärdaten. Das bedeutet, dass wir selbst nicht in Interaktion mit der Zielgruppe treten, aber dennoch großes Wissen über das Marktgeschehen und das Zusammenspiel aller beteiligten Akteure haben. 

Die üblichen Marktforschungsinstrumente aus der primären Forschung können die Komplexität des pharmazeutischen Marktes nicht in Gänze abbilden bzw. wären dabei nicht kosteneffizient. Daher braucht es die Forschung mit Sekundärdaten, die größere Datenmengen zu vergleichsweise günstigen Zugangskosten nutzbar macht. 

Eine derart gute Datenlage, wie sie in der ambulanten Gesundheitsversorgung vorliegt, findet man nur selten in den Schlüsselsektoren. Christian Bensing betont, dass gerade deshalb Sekundärdaten in der pharmazeutischen Marktforschung einen so hohen Stellenwert haben und im Gegensatz zur klassischen Primärforschung auch in Randbereichen die gleiche Validität und Zuverlässigkeit über die Versorgungsrealität aufweisen. 

Erkenntnisgewinne zur Business-Optimierung

Nur indem Daten aus verschiedenen Quellen intelligent verknüpft und analysiert werden, kann man tiefgehende Erkenntnisse im Pharmamarkt erhalten. Die Pharmaunternehmen benötigen für ihre tägliche Arbeit v. a. kontinuierlich vorliegende, verlässliche Informationen wie quantitative aktuelle Gesundheitsdaten und Analysen. Insight Health arbeitet mit bestehenden Versorgungsdaten und ist spezialisiert auf die Verknüpfung unterschiedlicher Datenpunkte und Berechnungen zu rasch verfügbaren, hochpräzisen und passgenauen Marktberichten. Hier geht es um Big Data. Wir sammeln, analysieren und interpretieren Daten, um Erkenntnisse zu gewinnen, die Entscheidungen in verschiedenen Bereichen wie Vertrieb, Marketing oder der Geschäftsführung unterstützen können. Wir erheben beispielsweise die Daten über Apothekenrechenzentren, dem pharmazeutischen Großhandel und aus eigenen Panels wie z. B. unserem Apotheken- und unserem Arztpanel. Dazu kommen weitere Quellen wie soziodemografische Daten und Referenzdaten. 

Durch gezielte Analysen kann die Industrie Versorgungstrends und -dynamiken besser verstehen, Real-World-Evidence-Studien umsetzen, Sales Excellence anstreben oder ihren Marktzugang verbessern. Im Grunde geht es also immer um Erkenntnisse. Die systematische Analyse von Kunden-, Verkaufs- und Marktdaten kann eingangs bei der Erstellung und dann bei der kontinuierlichen Schärfung der Vertriebsstrategie helfen. Auf Basis valider Daten können z.B. im Pharmavertrieb Ineffizienzen identifiziert und optimiert werden. Die gezieltere Planung der Einsatzorte und Kundenbesuche kann eine fehlerhafte Allokation von Zeit und Ressourcen vermeiden und dafür sorgen, dass die richtige Information zur richtigen Zeit am richtigen Ort präsent ist, um die Versorgung zu optimieren.  

Learnings aus Big Data

Die Daten ermöglichen einen produkt- bzw. marktorientierten Blick – das sind z. B. Patienten-, Apotheken- und Verordneranalysen – und eine behandlungsorientierte Sicht, die Medikationen und Behandlungen transparent machen. 

Ein Beispiel für ein Learning aus den Daten: Anonymisierte Versorgungsdaten sind für fast alle Geschäftsbereiche eines Pharmaunternehmens von Bedeutung, da sie zu einem besseren Verständnis des Marktes und der Behandlungsmöglichkeiten beitragen. Je besser die Pharmaunternehmen Patientinnen und Patienten kennen, desto besser können sie ihre Strategien anpassen.  

Ein anderes Beispiel sind regionalisierte Berichte auf Basis der Abrechnungsdaten der gesetzlichen Krankenkassen. Sie sind für unterschiedliche Fragestellungen z. B. zur generischen Situation oder zu Zielgruppen relevant. Sie kommen im Prelaunch, Launch und Postlaunch zum Einsatz. Je besser ein Pharmamanager den Markt kennt (z. B. den Absatz und den Umsatz von Wettbewerbsprodukten), desto besser kann man die eigene Produkteinführung aufstellen und steuern. Targetings und Segmentierungen helfen, regionale Unterschiede und Potenziale zu erkennen und sind die Basis für eine passgenaue Außendienststeuerung. Diese Art von Marktforschung deckt daher eine enorm weitreichende Bandbreite für pharmazeutische Unternehmen ab. 

Der Einfluss von Künstlicher Intelligenz (KI)

Machine-Learning-Algorithmen und Künstliche Intelligenz ermöglichen die Erkennung von Datenmustern und sogar Handlungsempfehlungen im Sinne einer „Next Best Action“. Eine vertriebsorientierte Marktforschung ist somit u. a. im Stande, kontinuierlich Empfehlungen für die Außendienststeuerung eines Unternehmens zu liefern; und zwar unter Berücksichtigung der vorliegenden Daten und der definierten Zielsetzungen. Für ein tiefes Marktverständnis und die richtigen Entscheidungen braucht es aber weiterhin Experten. Künstliche Intelligenz ist deshalb eine effiziente Ressource für das Aufbereiten großer Datenmengen und aus dem Grund auch eine wichtige Unterstützung für die Marktforschung. Die richtigen Fragen zu stellen und korrekte Kontexte herzustellen, bleibt jedoch Aufgabe der Marktforschenden. 


Die vollständigen Ausführungen von Christian Bensing können Sie in der aktuellen Printausgabe des PM-Reports (03/2024) nachlesen.

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