Biosimilarsubstitution
in der Apotheke

18. Juni 2024
Biosimilarsubstitutionin der Apotheke
Apotheke

Marktentwicklung und neue Regelungen

 

Der Umsatz mit Biosimilars im GKV-Markt liegt bei 3,1 Mrd. Euro (Preisbasis: AVP, Zeitraum: Jahr 2023). Während der letzten Jahre wurden bereits mehrere Milliarden durch Biosimilars für das GKV-System eingespart. Stetig wachsende Marktanteile haben die Krankenkassen und die Politik auf den Plan gerufen, weitere Kosten einzusparen. Ihr Instrument: Die Substitution bei Biosimilars, analog zu den Generika. Am 15. März 2024 ist die Biosimilarsubstitution unter bestimmten Voraussetzungen für Zubereitungen in Kraft getreten. Kathrin Pieloth und Frank Weißenfeldt von INSIGHT Health geben einen Überblick.

Wann sind Biopharmazeutika austauschbar?

Es ist wenig überraschend, dass ein Austausch von Original-Biopharmazeutika nicht möglich ist. Biosimilars werden bezugnehmend auf ein Original-Biopharmazeutikum (Referenzarzneimittel) zugelassen. Aufgrund der stets unterschiedlichen Fertigungsprozesse sind die Produkte allerdings nie gleich, sondern immer nur ähnlich. Daher war der Austausch von Biosimilars in der Apotheke bis vor einigen Wochen nicht zulässig. Neue Regeln gelten seit dem 15. März 2024. Apotheken sind seit diesem Zeitpunkt bei der Abgabe verordneter biotechnologisch hergestellter biologischer Arzneimittel an Patientinnen und Patienten zur Ersetzung durch ein preisgünstigeres Arzneimittel verpflichtet, wenn es sich um eine parenterale Zubereitung aus Fertigarzneimitteln zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung handelt (Änderung der AM-RL hinsichtlich § 40b). Folgende Punkte müssen in der Apotheke für den Austausch beachtet werden:

  • Voraussetzung für die Substitution ist, dass das abgegebene Arzneimittel mindestens die Anwendungsgebiete des verordneten Arzneimittels umfasst (ein übereinstimmendes Anwendungsgebiet reicht nicht aus).
  • Das zu verarbeitende Fertigarzneimittel muss ferner mindestens für die Applikationsarten des verordneten Fertigarzneimittels zugelassen sein.
  • Austauschbar ist das Referenzarzneimittel mit den in der Zulassung bezugnehmenden Biosimilars. Darüber hinaus sind auch Biosimilars untereinander austauschbar, wenn sie sich auf dasselbe Referenzarzneimittel beziehen.

Unproblematisch ist seit jeher die Substitution von biotechnologisch hergestellten Arzneimitteln, wenn sie die gleichen Ausgangsstoffe und einen identischen Fertigungsprozess aufweisen. Eine Liste der untereinander austauschbaren Arzneimittel (Bioidenticals) ist in Anlage 1 des Rahmenvertrages aufgeführt. Nur Bioidenticals, die hier explizit genannt sind, durften bereits vor dem Inkrafttreten des G-BA-Beschlusses vom 15. März 2024 in der Apotheke untereinander ausgetauscht werden.

GKV-Markt: Biosimilars stehen für 5,1 % des Umsatzes

Der Umsatz aller Biopharmazeutika im GKV-Markt liegt bei 21,9 Mrd. Euro; das entspricht einem Anteil von insgesamt 35,5 %. Der Beitrag der Biosimilars am GKV-Markt kommt auf 5,1 %, dementsprechend liegt das Volumen bei 3,1 Mrd. Euro. Weitere 5,8 Mrd. Euro (Anteil am GKV-Markt: 9,5 %) entfallen auf sonstige patentfreie Biopharmazeutika, und 12,9 Mrd. Euro (Anteil am GKV-Markt: 20,9 %) ist die Größe des Markts der patentgeschützten Biopharmazeutika.

Im Januar 2024 waren insgesamt 81 Biosimilars in der EU zugelassen

Die erste Zulassung für ein Biosimilar in der EU erfolgte 2006. Kontinuierlich kamen zahlreiche weitere Zulassungen hinzu. Insbesondere während der letzten Jahre erleben wir den Aufschwung der Biosimilars. Von 2017 bis 2022 erhielten insgesamt 59 Biosimilars eine Neuzulassung für die EU. Für das Jahr 2023 und das laufende Jahr erwarten Marktexperten insgesamt bis zu 11 Zulassungen für neue Biosimilars. Unter anderem für die Indikationsgebiete Onkologie, Rheumatologie, Dermatologie und Ophthalmologie ist die Biosimilar-Pipeline gut gefüllt. Im Januar 2024 waren insgesamt 81 Biosimilars in der EU zugelassen.

Entwicklung GKV-Umsatz

Die Umsatzentwicklung im Biopharmazeutika-Markt zeigt eine hohe Dynamik. Der Umsatz im ambulanten GKV-Markt hat sich von 11,4 Mrd. Euro im Jahr 2017 auf rund 22 Mrd. Euro im Jahr 2023 fast verdoppelt. Biosimilars zeigen mit einem Umsatz von 3,1 Mrd. Euro im Jahr 2023 ebenso eine positive Entwicklung. Aber auch die patentgeschützten Biopharmazeutika konnten ihren Umsatz im GKV-Markt von 3 Mrd. Euro 2017 auf knapp 13 Mrd. Euro im letzten Jahr steigern und damit mehr als vervierfachen.

Biopharmazeutika: sehr hohe Anteile im Bereich Onkologie und Immunologie

Motor des Wachstums der Biopharmazeutika im GKV-Markt insgesamt sind insbesondere vier Indikationsgebiete:

  • Antineoplastische Mittel erreichten 2023 einen Gesamtumsatz von fast 10,3 Mrd. Euro (Preisbasis: AVP). Der Anteil der Biopharmazeutika lag bei 56,3 %. Betrachtet man den GKV-Markt für Biologicals insgesamt (Marktgröße: 21,9 Mrd. Euro), so lag der Anteil der antineoplastischen Mittel bei 26,5 %.
  • Immunsuppressiva erzielten im letzten Jahr einen Gesamtumsatz von über 5,7 Mrd. Euro (Preisbasis: AVP). Der Anteil der Biopharmazeutika lag bei 81 %. Der Anteil am gesamten GKV-Markt für Biopharmazeutika lag bei 21,1 %.
  • Der Umsatz im GKV-System für Antidiabetika lag im Jahr 2023 bei 3,9 Mrd. Euro (Preisbasis: AVP). Biologicals erzielten in diesem Indikationsgebiet einen Anteil von 50,8 %. Der Anteil am GKV-Biopharmazeutikamarkt insgesamt lag bei 9 %.
  • Mit „N07 – Andere ZNS-Präparate“ wurde 2023 ein Gesamtumsatz im GKV-Markt von rund 2,5 Mrd. Euro erwirtschaftet. Der Anteil der Biopharmazeutika lag bei 42,8 %. Am GKV-Gesamtmarkt für Biologicals hält diese Indikationsgruppe einen Anteil nach Wert von rund 5 %.

Hoher Zubereitungsanteil bei Biosimilars in der Onkologie

Seit Mitte März 2024 ist der Austausch von Biopharmazeutika – durch Apotheken – bei parenteralen Zubereitungen unter bestimmten Bedingungen (vgl. „Wann sind Biopharmazeutika austauschbar?“) verpflichtend. Fertigarzneimittel, die in der Apotheke abgegeben werden, sind zurzeit nicht betroffen. Ad hoc stellen sich zwei Fragen:

  • Welche Parenteralia-relevanten Wirkstoffe mit biosimilarem Wettbewerb gibt es?
  • Und welche Wirkstoffe sind von den neuen Regelungen betroffen?

Einen Zubereitungsanteil am Gesamtwirkstoff nach Verordnungen von über 40 % zeigen lediglich fünf Substanzen (Zeitraum: MAT 02/2024):

  • Bevacizumab (Zubereitungsanteil am Gesamtwirkstoff: 99,9 %)
  • Trastuzumab (Zubereitungsanteil am Gesamtwirkstoff: 93,0 %)
  • Rituximab (Zubereitungsanteil am Gesamtwirkstoff: 86,3 %)
  • Eculizumab (Zubereitungsanteil am Gesamtwirkstoff: 47,9 %)
  • Infliximab (Zubereitungsanteil am Gesamtwirkstoff: 47,0 %)

Für alle anderen Wirkstoffe mit biosimilarem Wettbewerb im deutschen Markt liegt der Zubereitungsanteil deutlich unter 10 %. Naheliegend ist, dass drei der Parenteralia-relevanten Wirkstoffe aus dem Bereich der Onkologie stammen. Ferner zeigen die drei onkologischen Substanzen Bevacizumab, Trastuzumab und Rituximab mit 86,3 % bis 99,9 % den mit Abstand höchsten Zubereitungsanteil am Gesamtwirkstoff. Für alle Parenteralia-relevanten und biosimilarfähigen Wirkstoffe sind mindestens zwei Biosimilars zugelassen, sodass für diese Substanzen die Substitution mehr und mehr zur Praxis wird. Wobei Biosimilars, Bioidenticals und nicht zuletzt das Referenzarzneimittel (Original-Biopharmazeutikum) miteinander substituiert werden können.

Fazit

Nach langer Debatte trat am 15. März 2024 der Austausch von Biosimilars in der Apotheke für bestimmte Zubereitungen in Kraft. Die Biosimilarsubstitution startete erst einmal mit bestimmten parenteralen Zubereitungen, um möglicherweise die Reaktion der Akteure sowie die Praktikabilität der Umsetzung in einem abgegrenzten Marktsegment zu testen. Zusätzlich zu den bereits in der EU zugelassenen Biosimilars werden in den nächsten Jahren weitere Produkte erwartet. Allein im Bereich der Onkologie gibt es 46 Zulassungen außerhalb der EU und weitere 26 Hersteller mit Präparaten in Phase 3, bei denen eine Zulassung in der EU wahrscheinlich bevorsteht. Im Onkologie-Markt und in weiteren Märkten herrscht ein intensiver Wettbewerb. Vor diesem Hintergrund ist die aktuelle Regel voraussichtlich nur die erste Stufe eines mehrstufigen Prozesses. Der G-BA wird sich sicherlich weiter mit der generellen Austauschbarkeit von biologischen Arzneimitteln in der Apotheke befassen.

Den Originalartikel von unseren Expert*innen Kathrin Pieloth und Frank Weißenfeldt mit Quellenangaben können Sie im DAP Dialog (Ausgabe 81, Juni 2024) nachlesen.

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