Biosimilars: Regelungsverfahren zur automatischen Substitution und Marktüberblick 

16. Dezember 2024
Eine Apothekerin und ein Apotheker stehen vor einem Regal mit Arzneimitteln.
Apotheke

Biopharmazeutika stehen derzeit für die Hälfte des weltweiten Arzneimittelumsatzes der Top-100-Präparate. Neben patentgeschützten biotechnologisch hergestellten Arzneimitteln tragen zunehmend Nachahmerpräparate, sogenannte Biosimilars, zum Wachstum im Markt der Biopharmazeutika bei. So lag deren Umsatz (Preisbasis: Apothekenverkaufspreis [AVP]) im Jahr 2023 im Markt der gesetzlichen Krankenkassen bei 3,1 Mrd. Euro. Obschon bis 2024 durch Biosimilars bereits insgesamt 7,7 Mrd. Euro für das GKV-System eingespart wurden, haben stetig wachsende Umsätze die Krankenkassen und das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) auf den Plan gerufen, weitere Kosten im System zu senken. 

Am 15. Juni 2023 wurde im Plenum des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) die Änderung der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) hinsichtlich § 40b einstimmig beschlossen. Die bestimmende Neuerung: Apotheken sind bei der Abgabe verordneter biotechnologisch hergestellter biologischer Arzneimittel zur Ersetzung durch ein preisgünstiges Arzneimittel an Versicherte verpflichtet, wenn es sich um eine parenterale Zubereitung aus Fertigarzneimitteln zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patientinnen und Patienten handelt. Seit dem 15. März 2024 gelten die Regelungen des neuen § 40b Abschnitt M der AM-RL.

Das Novum: Zum ersten Mal sind ähnliche Arzneimittel austauschbar, soweit es sich um bestimmte Zubereitungen handelt. Von der Biosimilarsubstitution (noch) nicht betroffen sind Fertigarzneimittel, die in der Apotheke über den HV-Tisch gehen. Substituierbar waren vor dem 15. März 2024 bereits die sogenannten Bioidenticals.

Biosimilar-Welle hält an! Für das Jahr 2025 werden wieder zahlreiche Neuzulassungen für die EU erwartet

Seitdem das erste Biosimilar in der Europäischen Union 2006 zugelassen wurde, erhöhte sich deren Anzahl bis August 2024 auf insgesamt 88. Während von 2013 bis 2016 lediglich zehn Biosimilars in der EU zugelassen wurden, erleben wir seit 2017 einen ausgeprägten Trend hin zum Biosimilar. Von 2017 bis 2023 erhielten insgesamt 60 Biosimilars eine Neuzulassung für die EU. Für das laufende Jahr werden insgesamt bis zu 15 Zulassungen für neue Biosimilars erwartet und im nächsten Jahr wird die Anzahl der Neuzulassungen sehr wahrscheinlich bei über 20 liegen. Unter anderem für die Indikationsgebiete Onkologie, Rheumatologie, Dermatologie und Ophthalmologie ist die Biosimilar-Pipeline gut gefüllt.

Bereits die Umsatzentwicklung der Biopharmazeutika insgesamt ist beachtlich. So lag der Umsatz im GKV-Markt mit Biologicals 2017 noch bei 11,4 Mrd. Euro und im Jahr 2023 bereits bei 21,8 Mrd. Euro. Noch eindrucksvoller ist allerdings die Entwicklung der Biosimilars: Während der Umsatz im GKV-Markt im Jahr 2017 noch bei 0,6 Mrd. Euro lag, verzeichneten die Biosimilars im Jahr 2023 einen Umsatz von 3,1 Mrd. Euro.

Das Balkendiagramm zeigt Ausgaben der GKV für Biopharmazeutika von 2017 bis 2023.
Das Balkendiagramm zeigt Ausgaben der GKV für Biopharmazeutika von 2017 bis 2023.

Automatische Biosimilarsubstitution: Änderung der Arzneimittel-Richtlinie wurde beschlossen und umgesetzt 

Nach langer Debatte wurde am 15. Juni 2023 der Austausch von wirkstoffähnlichen Biopharmazeutika vom Grundsatz her durch den G-BA beschlossen. Nachdem das BMG den Begriff „wirkstoffgleich“ im G-BA-Beschluss vom 15. Juni 2023 beanstandet hatte, verzögerte sich die Umsetzung. Am 16. November 2023 erfolgte ein Änderungsbeschluss zum Austausch von bestimmten Zubereitungen und am 15. März 2024 trat das neue Regelungsverfahren in Kraft.

Voraussetzung für den Austausch definierter Zubereitungen ist, dass das abgegebene Arzneimittel mindestens die Anwendungsgebiete des verordneten Biologicals umfasst. Ein gleiches übereinstimmendes Anwendungsgebiet ist nicht ausreichend. Substitutionsfähig sind Referenzarzneimittel und die in der Zulassung bezugnehmenden Biosimilars. Austauschbar sind auch Biosimilars untereinander, wenn sie auf dasselbe Referenzarzneimittel bezugnehmend sind.

Die Substitutionsregel bezieht sich ausschließlich auf biotechnologisch hergestellte biologische Fertigarzneimittel, die von Apotheken zur Herstellung parenteraler Zubereitungen angewandt werden, welche wiederum zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bestimmt sind. Fertigarzneimittel, die in der Apotheke abgegeben werden, sind zurzeit nicht betroffen.

Für sechs Parenteralia-relevante Wirkstoffe ist die Biosimilarsubstitution en détail geregelt

Der Deutsche Apothekerverband (DAV) und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-SV) haben im Juni und Juli 2024 das Regelungsverfahren konkretisiert und Details zur Abgabepraxis und Vergütung der relevanten parenteralen Zubereitungen vereinbart. Anlage 3 Teil 2 der Hilfstaxe wurde um Anhang 4 ergänzt, der die nach § 40b AM-RL austauschbaren biotechnologisch hergestellten Wirkstoffe bzw. Fertigarzneimittel enthält. In Anhang 4 sind die Wirkstoffgruppen genannt, die Apotheken künftig austauschen müssen. Aktuell sind das: Bevacizumab, Eculizumab, Infliximab, Rituximab, Tocilizumab und Trastuzumab. Dort ist für die auszutauschenden Wirkstoffe auch ein fester Preis je mg, ml oder I.E. festgelegt. Daraus folgt: Ungeachtet dessen, welches Arzneimittel in der Apotheke aus der jeweiligen Wirkstoffgruppe konkret eingesetzt wird, rechnen Apotheken den festen Preis je mg, ml oder I.E. ab.

Bevacizumab: Der Angiogenese-Hemmer wird zur Therapie verschiedener Krebserkrankungen eingesetzt. Für den Arzneistoff gibt es fünf Biosimilars und zwei Bioidenticals. Da der Wirkstoff ausschließlich in Zubereitungen verwendet wird, ist dieser von den neuen Regelungen zur automatischen Substitution in vollem Umfang betroffen.

Eculizumab: Der monoklonale Antikörper wird zur Behandlung unterschiedlicher seltener Erkrankungen (Orphan-Drug-Status) angewendet. Für diesen Arzneistoff gibt es zwei Biosimilars. Der Beitrag der Zubereitungen liegt bei diesem Wirkstoff insgesamt bei 49,8 % (MAT 06/2024).

Infliximab: Der TNF-Blocker wird zur Therapie entzündlich-rheumatischer Erkrankungen eingesetzt. Für diesen Arzneistoff gibt es zwei Biosimilars und zwei Bioidenticals. Der Zubereitungsanteil liegt bei diesem monoklonalen Antikörper insgesamt bei 48,4 % (MAT 06/2024). 

Rituximab: Auch bei diesem Arzneistoff handelt es sich um einen monoklonalen Antikörper. Rituximab wird in der Krebsimmuntherapie genutzt. Für den Gesamtwirkstoff gibt es drei Biosimilars und zwei Bioidenticals. Der Zubereitungsanteil ist mit 86,3 % (MAT 06/2024) relativ hoch. Rituximab ist daher von den neuen Regeln zum Austausch von Biosimilars stark betroffen.

Deutlich weniger betroffen ist Tocilizumab: Der Arzneistoff ist ein weiterer monoklonaler Antikörper und wird u. a. zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis genutzt. Ferner ist Tocilizumab auch zur Therapie von COVID-19 zugelassen. Der Anteil der Zubereitungen ist mit 5,9 %  (MAT 06/2024) relativ niedrig.

Sehr hoch ist hingegen der Zubereitungsanteil von Trastuzumab: Der Anteil der Zubereitungen liegt bei diesem monoklonalen Antikörper, der bei bestimmten Formen des Brust- und Magenkarzinoms eingesetzt wird, insgesamt bei 92,7 % (MAT 06/2024). Trastuzumab ist demnach von dem neuen Regelungsverfahren zur Biosimilar-Substitution sehr stark betroffen.

Den Originalartikel von unseren Expert*innen Kathrin Pieloth und Frank Weißenfeldt mit Quellenangaben können Sie im DAP Dialog (Ausgabe 84, Dezember 2024) nachlesen.

Verwandte Artikel
Biosimilarsubstitutionin der Apotheke
Apotheke
Biosimilarsubstitution
in der Apotheke

Der Umsatz mit Biosimilars im GKV-Markt liegt bei 3,1 Mrd. Euro ...

OTC Verkauf in der Apotheke
OTC-Umsatz nach wie vor im Aufwind

 

Über 40 % aller Kassenvorgänge der Vor-Ort-Apotheken s...